… So schrecklich es heutzutage klingt. Derartige Vergeltungsmaßnahmen waren auch nach Meinung der Alliierten zulässig. So ließen etwa die US-Amerikaner 1945 bei Paderborn für einen getöteten US-General 110 deutsche Gefangene erschießen. Dies, obgleich Kriegsgefangene schon nach damaligem Kriegsvölkerrecht einen Sonderstatus genossen haben. Frage: Haben Sie dort jemals einen Kranz niedergelegt? …
Alf Torsten WERNER
85567 Grafing bei München
Senator des Witikobundes
Ignaz-Fuchs-Weg 1
30. Juni 2011
Offener Brief
an den Sprecher der
Sudetendeutschen Landsmannschaft e.V.
Herrn Bernd Posselt (MdEP)
Per e-Post
Guten Tag Herr Posselt!
Anlässlich des letzten Sudetendeutschen Tages in Augsburg verwiesen Sie auf den Besuch dreier zentraler Orte der Geschichte in Tschechien, zusammen mit Kultus-minister Ludwig Spaenle. Bewusst sei man zunächst nach Lidice gefahren. Dort haben Sie, nach Ihrer Aussage, Blumen und einen Kranz niedergelegt, „um deutlich zu machen, wie verabscheuungswürdig es ist, dass dort Menschen ermordet wurden nur weil sie Tschechen waren“ (s. u.a. Augsburger Allgemeine vom 12. Juni 2011).
Nun liegt vor mir auf dem Schreibtisch das Vermächtnis eines Mannes mit einer klaren Gegenposition. Er war Berufsoffizier der tschechoslowakischen Armee; 1938 Elève der Artillerieschule in Fontainebleau; im Westfeldzug 1940 hatte er als französischer Offizier gekämpft; im Zuge der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht stieß er in England zu General de Gaulle; nach dem Zweiten Weltkrieg diente er weiter im Generalstab der französischen Armee; zuletzt war er in Paris Militäringenieur der „Direction d’Etudes et Fabrication d’Armements“. Von den zahlreichen Auszeichnungen sind hervorzuheben: Offizier der Ehrenlegion; Mitglied des amerikanischen Ordens „Legion of Freedom“.
Dieser Mann schrieb unter der Überschrift Das Münchner Abkommen Folgendes (Auszug):
„Die Bündnisverträge, die die Tschechoslowakei mit Frankreich und mit der Sowjetunion abgeschlossen hatte, konnten nicht den Tatbestand ändern, dass das moralische Recht auf Deutschlands Seite war. … Gewiss fühlten sich die Tschechen im Protektorat nicht glücklich, ihre Masse verhielt sich aber nach dem Vorbild ihres Nationalhelden Schweik. … Inzwischen lief die Verwaltung im Protektorat in tschechischer Amtssprache weiter. Hitler bewilligte den Tschechen sogar eine kleine Armee von 16.000 Mann, die 1944 an deutscher Seite zum Teil in Italien eingesetzt wurde. … Übrigens haben die Tschechen trotz des Verlustes ihrer Selbständigkeit besser gelebt als später unter der Herrschaft der Kommunisten. Sie mussten keinen Militärdienst leisten. Ihre Industrien, von den Deutschen weiter ausgebaut, arbeiteten auf Hochtouren für Hitlers Kriegsmaschine. Im Bereich wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit dem dritten Reich lagen die Tschechen an zweiter Stelle hinter den Belgiern. Nie seither kassierten tschechische Arbeiter so hohe Löhne wie in Hitlers Protektorat … Die Verpflegungslage war besser als im Reich und die Zahl der politisch Verfolgten im allgemeinen nicht größer als in Deutschland selbst“ (Hervorhebung durch mich) „… Nach dem Münchner Abkommen 1938 beseitigte Hitler auch noch manch andere UngerechtigkeiteniH der Friedensverträge“ (gemeint die Diktate nach dem Ersten Weltkrieg).
Quelle: Ferdinand Otto Miksche, „Das Ende der Gegenwart – Europa ohne Blöcke“, Herbig, 4. Aufl. S. 56 ff.
Von einer Ermordung von Menschen, „nur weil sie Tschechen waren“, kann demnach keine Rede sein. Mein Schwager war jahrelang Häftling im KZ Dachau. Nicht weil er Deutscher war, sondern weil er sich mit dem System angelegt hatte.
Und Lidice war ein Racheakt für die Ermordung des stellvertretenden Reichsprotektors von Böhmen und Mähren Reinhard Heydrich. Dieser hatte die Fettrationen für zwei Millionen tschechische Industriearbeiter erhöht und 200.000 Paar Schuhe für Rüstungsarbeiter bereitstellen lassen; u.a. ließ er ferner die Luxushotels in Böhmens Kurorten für tschechische Arbeiter als Ferienheime requirieren, reformierte die tschechische Sozialversicherung. Für die tschechische Exilregierung in London offensichtlich Anlass genug, Heydrich ermorden zu lassen; Lidice war angeblich involviert.
So schrecklich es heutzutage klingt. Derartige Vergeltungsmaßnahmen waren auch nach Meinung der Alliierten zulässig. So ließen etwa die US-Amerikaner 1945 bei Paderborn für einen getöteten US-General 110 deutsche Gefangene erschießen. Dies, obgleich Kriegsgefangene schon nach damaligem Kriegsvölkerrecht einen Sonderstatus genossen haben. Frage: Haben Sie dort jemals einen Kranz niedergelegt?
Wie berechtigt und notwendig es für Deutsche auch sei, beklagte der jüdische Emigrant und spätere Direktor des Instituts für Zeitgeschichte Hans Rothfels, sich von der Phase des NS-Regimes abzusetzen, so gebe es neben „der Kollektivschuldthese von außen von innen her ein Flagellantentum, das gegen jeden Ansatz ruhiger Selbstachtung“ gerichtet sei (Die Nation, Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1978 Bd. 16 Seite 773 f.). Zurückzuführen ist dieser Umstand wohl auch auf die „Bewusstseins-Industrie“ (Hans Magnus Enzensberger!), die selbst den ansonsten für die historische Wahrheit und Gerechtigkeit eintretenden Menschen total den Blick verstellt.
Mit dem Wunsche, Sie nachdenklich und revidierfähig gestimmt zu haben, verbleibt
Alf Torsten WERNER
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