Was im tschechischen Präsidentschaftswahlkampf alles hochkocht
Es hätte ja einem Wunder geglichen, wenn im tschechischen Präsidentschaftswahlkampf 2023 der Geist des Nationalismus in der Flasche geblieben wäre. Mit anonymen Kettenbriefen wurde Stimmung gemacht gegen die Konkurrenten des ehemaligen Premiers Andrej Babiš von der Partei ANO: Danuše Nerudová und Petr Pavel. „Es ist wieder da“, twitterte der Journalist Jindřich Šídlo (Jahrgang 1972). „In den E-Mails heißt es, wenn Nerudová oder Pavel gewinnt, werden die Beneš-Dekrete aufgehoben. Genug bitte!“ Direkt angegriffen wird auch Premierminister Petr Fiala: „Herr Fiala ist leitendes Mitglied der staatsfeindlichen Paneuropa-Union. Und deren Leiter ist der Chef der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, der langfristig die Abschaffung der Beneš-Dekrete anstrebt. Das beginnt ihm zu gelingen.“
Woher die Verfasser solcher Mails ihre Weisheit nehmen, bleibt freilich im Dunklen. Denn selbst Posselt vertritt in der Frage der Dekrete seit Längerem eine Position, gegen die sich bei vielen Landsleuten Skepsis regt. In der Weihnachtsausgabe 2022 der „Sudetendeutschen Zeitung“ hat er seine Haltung wieder so beschrieben: „Die Beneš-Dekrete sind Unrecht, weil sie, wie bereits Václav Havel klargestellt hat, von der Kollektivschuld ausgehen. Ich sage aber auch ganz deutlich: Die Beneš-Dekrete sind eine moralische, und keine juristische Frage. Unabhängig von der Eigentumsfrage wollen wir die Dekrete moralisch aufarbeiten. Und da ist in den letzten Jahren sehr viel geschehen, beginnend mit der Rede des damaligen Premierministers Petr Nečas 2013 im Bayerischen Landtag und dem Satz ‚Wir bedauern, dass durch die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der ehemaligen Tschechoslowakei, durch die Enteignung und Ausbürgerung, unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde.“
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