Von CR Gernot Facius
Gut so. Der Bayerische Landtag hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause einen Dringlichkeitsantrag verabschiedet, der auf 75 Jahre Flucht und Vertreibung sowie 70 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen Bezug nimmt; dazu hat sich längst nicht jedes Landesparlament aufraffen können. Gut, dass die Staatsregierung in München aufgefordert wurde, an Schulen auch jenseits des unmittelbaren Gedenkens auf „eine intensive Behandlung der Nachkriegszeit hinzuwirken“, zum Beispiel durch Projekttage, Vorträge und Podiumsdiskussionen. Gewürdigt werden
- der Verzicht auf Rache und Vergeltung,
- das Bekenntnis der Vertriebenen zu einem freien und geeinten Europa und
- der Wille zur Aussöhnung mit der Tschechischen Republik.
CSU, Freie Wähler, Grüne und Sozialdemokraten waren sich darin einig, dass nur Europa die zerstörerische Kraft des Nationalismus überwinden könne – eine Anleihe aus der Charta von Stuttgart.
Nochmals: gut so! Doch dann rühren sich beim Beobachter die Zweifel, ob das Dokument mit all seinen Leitsätzen hinreichend zur Kenntnis genommen wurde. So manches wurde aus ihm zitiert, nur eine Passage blieb von den Rednern im Plenum weitgehend ausgeblendet: Das Insistieren der Charta-Unterzeichner auf dem Recht auf die Heimat. Es war Christoph Maier, der vertriebenenpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, der schon am Tag vor der Abstimmung in einer Presseerklärung daran erinnerte, „dass die Charta auch von einem Recht der Menschen auf Heimat spricht“, eine Forderung, die noch immer nicht eingelöst sei. Und Maier war es auch, der die menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete zur Sprache brachte, die in der Entschließung des Landesparlaments nicht thematisiert wurden. Damit grenzte er sich von dem von der CSU eingebrachten „Dringlichkeitsantrag“ ab, der ihm offenbar zu schwammig formuliert erschien. Man muss die AfD nicht mögen, aber sie hat wenigstens auf die Leerstellen in den Aussagen der anderen Landtagsparteien aufmerksam gemacht. Da wirkt es schon komisch, wenn der vertriebenenpolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Josef Zellmeier, triumphierend erklärt: „Wir freuen uns, dass alle Fraktionen bis auf die AfD unserem Antrag zugestimmt haben.“ Worauf die Verweigerung gründet, blieb ungesagt. Merke: Eine halbe Wahrheit ist oft eine ganze Lüge.
Aus dem
Sudetendeutschen Pressedienst (SdP) (Österreich),
Nr. 94, 2020,
Wien, am 22. Juli 2020
Read more...