Heute endlich der im letzten Newsletter angekündigte Doppel-Beitrag zum Thema Wasserstoff. Dass Wasserstoff ein geeigneter Energieträger wäre, um den Energiesektor zu dekarbonisieren, stimmt so nicht ganz. Wasserstoff hat ungünstige physikalische Eigenschaften, die den wirtschaftlichen Einsatz erschweren. Wasserstoff kann zwar sehr viel Energie speichern je Kilogramm, für Transport und Lagerung ist er aber zu leicht. Schon im ersten Beitrag der bislang dreiteiligen Serie über Wasserstoff haben wir vorgerechnet, dass ein 38-Tonner als Tanklastwagen nur ein paar hundert Kilogramm komprimierten Wasserstoffgases mitnehmen kann. Bei Transport als Flüssigkeit bei wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt der Temperatur können zwar rund vier Tonnen Wasserstoff mitgenommen werden, die thermische Dämmung des Tanks bei einer Temperaturdifferenz von 300 Grad im Sommer ist aber kaum zu leisten. Transport auf hoher See wäre so nur möglich, wenn eine aufwändige Kühlanlage verbaut würde. Für eine Langzeit-Lagerung eignet sich Wasserstoff also nicht, denn jeder Tag der Lagerung verschlingt große Mengen an Energie.
Die Nationale Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung läuft in Gefahr, durch Ignorieren der physikalischen Eigenschaften von Wasserstoff ins Leere zu laufen. Gleichzeitig skaliert sie teure Technikansätze einfach hoch, subventioniert die Nutzer des überteuerten Energieträgers, so als ob es finanzpolitisch kein Morgen gäbe. Es wiederholen sich hier wieder dieselben Fehler, die die gesamte Energiewende geprägt haben: Unverständnis der physikalischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge bei den politischen Entscheidern einerseits, Blauäugigkeit bei den Erwartungen andererseits. Das Ergebnis sind magere Ergebnisse, die zu gewaltigen volkswirtschaftlichen Kosten erkauft werden.
Tatsächlich könnte Wasserstoff einen positiven Beitrag leisten bei der vollständigen Überwindung fossiler (chemischer) Energieträger bis zur Jahrhundertmitte, aber nur, wenn die naturgesetzlichen Parameter beachtet werden und die Technik erst optimiert, und dann skaliert wird.
Betrachten wir die Wertschöpfungskette von Erzeugung über Transport und Lagerung bis hin zur Verwendung. Im Artikel „Wasserstoffwirtschaft: Günstige Quellen müssen her“ argumentieren wir, dass günstige umweltfreundliche Quellen für Wasserstoff entwickelt werden könnten, ‚grüner‘ Wasserstoff aus ‚Überschussstrom‘ aber niemals wettbewerbsfähig werden kann. Allenfalls die Nutzung von sämtlicher Energie aus Solar- oder Windkraft zur Wasserstoffproduktion könnte an guten Standorten einen wirtschaftlichen Betrieb sicherstellen. Dies ist ja gerade die Strategie der Nikola Corporation, die in den sonnenreichen Südstaaten der USA entlang der Highways Solarparks, Elektrolyseure und Wasserstoff-Tankstellen für Trucker einrichten möchte und eine Chance auf Erfolg hat.
Das Prinzip von Nikola ist ja die (dezentrale) Erzeugung von Wasserstoff am Ort des Verbrauchs. Das wäre eine gute Lösung, denn der Transport von Wasserstoff über lange Strecken kostet viel zu viel Energie, wie wir bereits oben und im Beitrag „Wasserstoff, Energieträger der Zukunft. Oder?“ vorgerechnet haben.
Im dritten Beitrag der Serie beschäftigen wir uns mit der Brennstoffzelle als wichtigste Nutzungsart für Wasserstoff. Die heutigen Brennstoffzellen sind wenig skalierbar für eine größere Marktdurchdringung: zu teuer, zu ineffizient, zu klein. Wasserstoff-Fahrzeuge mit Brennstoffzellen werden sich am Markt erst durchsetzen, wenn sie deutlich günstiger sind als solche mit Dieselmotor. Dass es dafür geeignete Konzepte gibt, haben wir im Beitrag „Wasserstoffwirtschaft: Wenn, dann richtig“ gezeigt.
Es besteht also durchaus Hoffnung für eine Defossilisierung des Energieverbrauchs mit Wasserstoff. Nur sollten Strategien verfolgt werden, die im Kern wettbewerbsfähiger sind als existierende Technologien. Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie tun wir das Gegenteil und nehmen eine Verteuerung von Energie in Kauf. Das können wir uns in Deutschland eine Zeitlang leisten und mit Subventionen zudecken. Langfristig und weltweit gesehen ist es eine Sackgasse, in die wir sehend hineinrennen. Ich hoffe, dass wir beim Wasserstoff von vornherein bessere Ansätze entwickeln und umsetzen, und dass unsere Anregungen aufgegriffen werden.
Björn Peters
9. 11. 2020
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