Ich bin ein Sudetendeutscher aus Mähren, geboren 1930 in der Pekarska 38 (Bäckergasse) in Brünn, meiner Heimatstadt, in der mehr als 50 tschechische Blutsverwandte von mir leben. Zur späten Vertreibung aus Reichenberg kam es wegen meiner und meiner Mutter ungeklärten Staatsbürgerschaft erst am 26. Oktober 1946. An der LMU München habe ich Deutsch, Englisch, Geschichte (33 Jahre Gymnasiallehrer) und nach 1990 noch zehn Semester Slawistik studiert. Ich lese seit mehr als zehn Jahren die täglichen Nachrichten von Radio Prag in beiden Sprachen. Was sich Ihre Frau Bucan am 29. Mai 2016 als Deutung des Massakers beim Brünner Todesmarsch erlaubt, ist eine Verhöhnung jedes dt.-cz. Brückenbaus und eine Verunglimpfung historischer Fakten in Pohorelice/Pohrlitz (sic!)/, wo ich zweimal war, im Hotel übernachtete und noch mit tschechischen Zeitzeugen reden konnte. Die menschenverachtende Einquartierung der nach katastrophalen Gewitterregen völlig durchnässten Menschen auf nacktem Zementboden (mir liegen zwei schriftliche Zeugnisse damaliger Teenager vor), die Verweigerung aller medizinischen und hygienischen Bedürfnisse (Ausbruch von Ruhr und ansteckender Seuchen), erbärmliche Hungerverpflegung, Zuführung von Rotarmisten zu jungen Frauen usw. - Den Tod von 1700 bis 2000 unschuldigen Zivilisten (man konnte die Massengräber in den Feldern am Fehlwuchs noch um die Jahrtausendwende erkennen) übergeht Bucan mit der unfassbaren Begründung:
"Vergeltungsaktionen für die nationalsozialistischen Verbrechen" ganz im Sinne des beschämenden Straffreistellungsgesetzes Nr. 115 vom 28.10.1945. Nach deutschem und überwiegend geltendem europäischem Recht verjährt Mord nie. - Sie sollten diese seit April beschäftigte, historisch unbedarfte Reporterin zur Mithilfe bei der aktuellen Flüchtlingsaufnahme an der EU-Außengrenze beurlauben. - Übrigens sind die Zahlen im gut recherchierten Beitrag von Till Janzer am 30.05. zum selben Thema präzisiert, der deutsche Ortsnamen ist richtig geschrieben.
Ich merke an, dass die von den tschechischen Journalisten für das muttersprachliche Publikum ausgewählten Nachrichten meist zahlreicher als die deutschsprachigen sind (ich beziehe und lese beide). - Insgesamt möchte ich mich für diese zuverlässige Dienstleistung aus Prag sehr herzlich bedanken. (Als alter Zeitzeuge habe ich noch die Ankündigung der Vorkriegs-Sendestationen „Praha, Brno a Moravska Ostrava“ im Ohr, aber auch die vom 5. Mai 1945: „Smrt vsem Nemcum“ /“Tod den Deutschen“).
Ihr Friedrich A. Werner, Weilheim i.OB
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Ja, es ist richtig, einen Versöhnungsmarsch zu veranstalten
Gerade in der Zeit eines neuen Kalten Krieges ist es notwendig, sich immer wieder an alle Gräuel des Krieges zu erinnern. Wir erleben eine Zeit der starken und angespannten Emotionen.
Am traurigen Beispiel des Todesmarsches im Mai 1945 müssen wir uns bewusst werden, dass Kriegsgräuel, wie das Töten oder Foltern von Menschen, jedes Mal auch nach dem Krieg weitergehen. Man „begleicht die Rechnung“. Die Art und Weise, wie deutsche Zivilisten transportiert wurden, war keine gerechte Strafe, die an Nazitätern vollstreckt wurde, sondern ein bloßer Akt von Wut und Hass gegenüber jenen, die entweder unschuldig waren, oder deren Schuld bestimmt nicht der Brutalität entsprach, mit der dieser Transport durchgeführt wurde.
Wir müssen begreifen, dass die Gewalttaten, die wir den Nazis zu Recht vorgeworfen haben, von jeder Nation verübt werden können. Jeder Mensch ist dazu fähig, wenn er eine ähnliche Situation erlebt, ohne Unterschied der Hautfarbe, Nationalität oder Religion. Der unterdrückte und erniedrigte Mensch wird mit einem Mal Herr über Leben und Tod. Und dem können nur Wenige widerstehen.
Uns daran zu erinnern, wozu unsere Leute fähig waren, ist eine geradezu hygienische Notwendigkeit. Einen Notwendigkeit für die Hygiene unserer Seele und unseres Gehirns.
Dr.med.Vilém Hofman, Lidové noviny, 31. 05. 2016 , Seite 9
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Sudetendeutscher Pressedienst (SdP), Österreich
Wien, am 1.Juni 2016
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