Laut einem Bericht republikanischer US-Abgeordneter brach Corona bereits im September 2019 aus
Martin Suter
Drei Wochen vor dem mit Spannung erwarteten Bericht der USGeheimdienste über den Ursprung der Covid-19-Pandemie sprachen US-Kongresspolitiker bereits vor. Ein «Übergewicht von Beweisen» spreche für ein Leck im Virologie-Institut von Wuhan (WIV), schliesst ein am Montag veröffentlichter Bericht von republikanischen Mitarbeitern der Aussenpolitischen Kommission im US-Repräsentantenhaus.
Auf 82 Seiten präsentiert der Report Hinweise darauf, dass sich das Sars-CoV-2-Virus in Wuhan nicht erst Ende Dezember 2019 auszubreiten begann, sondern schon Mitte September. Und bereits zu diesem Zeitpunkt sollen Chinas Behörden damit begonnen haben, jegliche Spuren zu tilgen, die einen Laborursprung der weltumfassenden tödlichen Pandemie beweisen könnten. Es handle sich um die «grösste Vertuschung der Menschheitsgeschichte», sagt der federführende Abgeordnete Michael McCaul aus Texas.
Satellitenaufnahmen zelen erhöhte Aktivitäten um Labor.
Der Kongressbericht beruht nur auf öffentlich zugänglichen Quellen. Die Republikaner erstellten ihn auch aus dem Interesse heraus, ihre China-kritische Politik durchzusetzen. Davon wollen die Demokraten als Regierungspartei nichts wissen; sie beteiligten sich nicht an den Recherchen. Der Bericht untermauert indes die Hypothese, dass sich erste Mitarbeiter der Virenlabors in Wuhan vor dem 12. September mit dem Sars-CoV-2-Virus ansteckten und dieses in der Stadt verbreiteten. Der Erreger konnte seinen Siegeszug um dieWelt antreten, über 200 Millionen Menschen befallen und mindestens 4,2 Millionen töten.
Für die WIV-Labors als Virusquelle und den frühen Zeitpunkt des ersten Ausbruchs bestehen laut Bericht schlüssige Hinweise. So zeigen Satellitenaufnahmen im September und Oktober 2019 plötzlich eine erhöhte Aktivität in Spitälern rund um das Institut. Am 12. September wurde mitten in der Nacht die WIV-Datenbank über Viren und Gewebsproben ohne Begründung vom Netz genommen. Am gleichen Tag schrieb die WIVLeitung einen 1,3 Millionen Dollar teuren «Beschaffungsauftrag für Sicherheitsdienste» aus und vier Tage später einen für die umfassende Sanierung des Belüftungssystems im Umfang von über 600 Millionen Dollar. Beide Ausschreibungen wurden von der Website des Finanzministeriums entfernt. Im Oktober reisten über 9000 Sportler aus 109 Ländern nach Wuhan, um sich an den 7. Militärweltspielen zu messen. Viele der Besucher erkrankten an Symptomen wie von Covid-19 und erlebten die 15-Millionen-Stadt im Lockdown. Ein Sportler aus Luxemburg nannteWuhan später eine «Geisterstadt» und erinnerte sich, dass ihm am Flughafen die Temperatur genommen wurde. Nach den Spielen trugen Sportler das Virus mutmasslich in ihre Herkunftsländer zurück. Laut Bericht Arden in mindestens vier teilnehmenden Ländern – Italien, Brasilien, Schweden und Frankreich – erste Covid-19-Erkrankungen schon im November oder Dezember verzeichnet, noch bevor die Epidemie an Silvester 2019 in China «offiziell » ausbrach. Potenziell waren die Militärweltspiele somit das erste «Superspreader»-Ereignis.
Den Nachweis, dass das Virus Sars-CoV-2 keinem tierischen Zwischenwirt entsprang, sondern als künstliche «Chimäre» im Labor entstand, erbringt der Bericht nicht. Erhellen könnte dies allenfalls die nicht mehr zugängliche WIVVirendatenbank. Mit Projekteingaben wird aber belegt, dass in den WIV-Labors an der Funktionssteigerung von Viren geforscht wurde und die dortigen Wissenschaftler zur Züchtung eines Super-Erregers in der Lage waren.
Republikaner misstrauen WHO-Experten
Peter Daszak weiss darüber mehr. Er ist Präsident der New Yorker Nonprofit-Organisation EcoHealth Alliance, die über Jahre den Virologen inWuhan Hunderttausende von Dollars aus staatlichen US-Forschungseinrichtungen übermittelte. Daszak arbeitete seit 2005 eng mit Shi Zhengli zusammen, der als «Bat Woman» bekannten Fledermausexpertin am WIV. Er organisierte die Unterschriften für einen Brief von Wissenschaftlern, der im Februar in der Zeitschrift «The Lancet » die These eines Laborursprungs als Verschwörungstheorie verurteilte. Und ein Jahr súter durfte Daszak als einziger US-Forscher an der Erkundungsmission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Wuhan teilnehmen.
Ohne dies direkt zu sagen, sieht der Kongressbericht in Daszak so etwas wie einen Agenten der Forscher in Wuhan, der im Westen die Sache Chinas betreibt. «Peter Daszak muss vor dem Kongress darüber aussagen, was sich zutrug», fordert der Abgeordnete McCaul. Zusätzlich will er Chinas führende Virenforscher mit Sanktionen bestrafen.
Da die Republikaner im Kongress in der Minderheit sind, können sie niemanden unter Strafandrohung vorladen. Dazu wären bloss die Demokraten in der Lage. Bisher zeigen sich weder die Regierungspartei noch ihr Präsident Joe Biden daran interessiert.
Sonntagszeitung.ch | 8. August 2021
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