Friedland im Isergebirge (Frýdlant v Čechách), 9. September 2021. Von Stanislav Beran. Es war zehn Uhr abends als am 8. August 1986 der am 10. Februar 1968 in Plauen geborene Magdeburger Hartmut Tautz, ein Abiturient, versuchte, über die tschechoslowakische Staatsgrenze bei Engerau (Petržalka), einem Stadtteil der slowakischen Hauptstadt Preßburg (Bratislava), nach Österreich in die Freiheit zu flüchten. Der Versuch endete tödlich.
Abb.: Rechtsanwalt Lubomír Müller gelang erstmals die vollständige Rehabilitierung eines am Eisernen Vorhang der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik ums Leben gekommenen Opfers
… Seit über 76 Jahren werden wir fast täglich auf die Verbrechen der Nazis aufmerksam gemacht, aber die Verbrechen des Kommunismus, die oft ebenso abscheulich oder noch abscheulicher sind, scheinen vergessen zu sein. Lubomír Müller, der die Familie Tautz bei dem Gericht vertrat, war der erste Rechtsanwalt in der ehemaligen Tschechoslowakei, dem es am 13. März 2017 gelungen ist, dass ein am Eisernen Vorhang ums Leben gekommenes Opfer vollständig rehabilitiert wurde. Im Fall des DDR-Bürgers Hartmut Tautz gelang ihm ein historischer Durchbruch – ein Präzedenzfall.
Hartmut Tautz war ein Opfer von vielen. An der mit Stacheldraht gesicherten Grenze zwischen der Slowakei und Österreich starben in der Zeit des Kommunismus 127 Menschen beim Fluchtversuch. Die Mutter und Carola Tautz, die Schwester von Hartmut Tautz, denken ständig an ihren Sohn und Bruder, der in der damaligen Tschechoslowakei am Eisernen Vorhang durch das unmenschliche System des kommunistischen Regimes ums Leben kam. Der Schmerz über den Verlust sitzt immer noch tief. Die Tränen der Trauer sind auch nach fünfunddreißig Jahren noch nicht getrocknet. Im August 2016 wurde für Hartmut Tautz in der Nähe seiner gescheiterten Flucht ein Denkmal enthüllt.
Ergänzung der Redaktion:
Am 28. Februar 2017 berichtete das Portal nitrianskepravno.sk von einem Besuch des Generaldirektors der Bahnpolizei der Slowakischen Republik, General JUDr. Tibor Gáplovský. Der war selbst in Nitrianske Pravno zur Schule gegangen. Vor Schülern der 7. bis 9. Klasse, die – wie berichtet wird – seine Uniform bewunderten, wies er unter anderem auf "Ursachen für tödliche Unfälle und Unfälle von Jugendlichen im Eisenbahnverkehr, insbesondere in den Bahnanlagen, hin und betonte die Möglichkeiten der Bestrafung dieser Personen". Am Nachmittag, so ist auf dem Portal zu erfahren, hielt er im Zuge des Europäischen Elterntags vor Eltern einen Vortrag zum Thema "Kinder und Jugendliche als Opfer von Verbrechen". Über Hartmut Tautz als Opfer eines Verbrechens berichtet iDNES.cz in einem Video.
Ein ähnliches Grenzregime wie in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik herrschte auch in den anderen "sozialistischen Bruderstaaten". Dem Görlitzer Anzeiger ist ein weiterer Fall bekannt, in dem zwei Sachsen aus dem erzgebirgischen Schwarzenberg – Karl-Heinz Engelmann und Siegfried Gammisch – in den 1966 im bulgarischen Grenzgebiet zu Griechenland erschossen wurden. Über den Verbleib der Leichname wurden die Eltern trotz aller Bemühungen nie informiert. Sie wurden, nachdem sie von den bulgarischen "Grenzschützern" gefleddert wurden, vor Ort verscharrt. Beide hatten wie Hartmut Tautz die Grenzsicherung grob unterschätzt. Stefan Appelius hat im Jahr 2008 die Geschichte im SPIEGEL aufgearbeitet.
Wer heute sozialistischen Ideen nachhängt sollte bedenken, dass bislang noch jedes sozialistisch regierte Land grundlegende Menschenrechte mit Füßen getreten hat.
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J.Š. 11.9.2021
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