Die politische Konfrontation in Rumänien ist nicht zuletzt ein Kampf um Einfluss auf die Justiz, die eigentlich unabhängig sein sollte. Gerade diese Entwicklung weckt in Europa erhebliche Besorgnis.
Die mit harten Bandagen geführte politische Auseinandersetzung, die gegenwärtig nicht nur Rumänien, sondern auch die Europäische Union in Atem hält, ist in bedeutendem Masse auch ein Kampf um Einfluss auf die Justiz. Diese sollte zwar unabhängig sein. Doch nicht nur in Rumänien, sondern auch in zahlreichen anderen ostmitteleuropäischen Ländern ist die Realität noch eine andere. In diesem Bereich hallt vielleicht stärker als in anderen das unselige Erbe des Kommunismus nach, als alle staatlichen Strukturen unter der Kontrolle einer Partei waren und Gewaltentrennung ein Fremdwort war.
Schwierige Reform: Dass eine der Parteien, die zurzeit in Rumänien mehr Kontrolle über den Justizapparat zu gewinnen suchen, die Nachfolgepartei der einst allmächtigen Kommunistischen Partei ist und dass führende Köpfe in deren Apparat eine Funktionärsvergangenheit aus der Zeit von vor der Wende haben, macht demokratische Reformen in Rumänien nicht einfacher. Verschiedene Kommentatoren sind zur Ansicht gelangt, das furiose Bemühen der Regierung des Sozialdemokraten Ponta um grösstmögliche Kontrolle von Parlament, Exekutive und Justizapparat hänge gerade damit zusammen, dass die Justiz in letzter Zeit mehr Unabhängigkeit von der politischen Macht demonstriert habe. Dies habe sich etwa in der Verurteilung des sozialdemokratischen Ex-Ministerpräsidenten Adrian Nastase geäussert, des politischen Ziehvaters Pontas und einer der grauen Eminenzen der Partei. Das Urteil gegen Nastase signalisierte, dass auch für die Mächtigsten die Zeit der Unantastbarkeit vorbei sei.
Eine Person, die am Anfang des Prozesses zu mehr Unabhängigkeit des Justizapparats stand, ist Monica Macovei. Die heutige liberaldemokratische Politikerin war 2004 vom damals frisch gewählten Präsidenten Basescu als Unabhängige zur Justizministerin ernannt worden. Sie machte die Korruptionsbekämpfung zu einem ihrer vorrangigen Ziele und konnte bald erste Erfolge vorweisen. Allerdings verlor sie ihren Posten 2007 nach einem Zerwürfnis Basescus mit dem damaligen Ministerpräsidenten Popescu-Tariceanu. Um ihre politische Arbeit weiterführen zu können, trat sie der liberaldemokratischen Partei bei und errang für diese einen Sitz im EU-Parlament.
In die laufende Auseinandersetzung griff Macovei unlängst am Fernsehen mit der dramatisch klingenden Erklärung ein, Rumänien stehe am Rand eines Bürgerkriegs und die Öffentlichkeit müsse sich bewusst machen, dass die Situation sehr ernst sei. Den Ausdruck «Bürgerkrieg» habe sie bewusst gewählt, weil es sich bei der Sozialliberalen Union (einer Koalition aus Sozialdemokraten und Nationalliberalen) um eine kriminelle Organisation handle.
Scharfer Brief Barrosos
Dies waren starke Worte, und sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Macovei ist in Brüssel bestens vernetzt und gilt als aufrichtige politische Partnerin. Sie geniesse deshalb das Vertrauen höchster europäischer Entscheidungsträger, weil sie ehrlich sei, sagte Macovei in ihrem Fernsehauftritt, und sie denke, dass Rumänien stolz sein sollte, eine so starke Stimme in Brüssel zu haben.
Ihre Kritik an der Art, wie die Sozialliberale Union (USL) nach der Macht greift, reflektiert sich auch in einem harschen Brief, den der EU-Kommissions-Präsident Barroso Ende letzter Woche an Ministerpräsident Ponta richtete und in dem er diesen aufrief, die Justiz unbehindert ihre Arbeit machen zu lassen. Allerdings gibt es derzeit wenige Anzeichen, dass die Kritik Ponta beeindruckt. Ähnlich scharf wie Monica Macovei äusserte sich ein Kommentator des Bukarester Nachrichtenportals «Hot News». Die «Revolution der Gauner» werde dann Erfolg haben, wenn es der USL gelinge, entscheidenden Einfluss auf die Justiz zu gewinnen, schrieb er.
Rudolf Hermann, Prag
15.8.2012
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