Deklaration der Versöhnung und gemeinsamer Zukunft
Mendelplatz, Mittwoch 30. Mai 1945
Aufgrund des Beschlusses des Landes-Nationalausschusses vom Vortag hat in den Nachmittagsstunden der Nationalausschuß für Großbrünn angeordnet, dass sich hier alle deutschsprechenden Brünn versammeln sollten.
In der Nacht und am Morgen wurden sie durch die bewaffneten Roten Garden und Armeeeinheiten aus der Stadt herausgeführt. Die Prozession von etwa zwanzigtausend Menschen erwartet ein unendlicher Marsch in Richtung österreichische Grenze. Ohne essen, ohne Wasser, ohne ärztliche Betreuung, ohne grundlegende hygienische Versorgung, ohne Rast. Nach Augenzeugenberichten sterben viele Menschen unterwegs an Erschöpfung, Epidemien, die sich im Pohrlitzer Lager verbreitet haben, manche wurden durch die bewaffnete Begleitung erschlagen oder erschossen.
Dieser „Akt der Rache“, der eine Vergeltung für die Nazi-Verbrechenwerden sollte, hat diejenigen, denen er gelten sollte, dabei nur am Rand erreicht. Der gesamte Akt war vor allem gegen Frauen, Kinder und alte Menschen gerichtet, aus denen der überwiegende Teil der Prozession bestand. Unter den Vertriebenen waren auch unter anderem Tschechen und deutsche Nazigegner. Dieser Akt ging in die Geschichte als der „Brünner Todesmarsch“ ein.
Wir sind uns sehr wohl der unermesslich größeren Verbrechen des Nazi-Regimes bewusst. Gleichzeitig aber sind wir uns dessen bewusst, das Leid immer Leid bleibt, wer auch immer sein Verursacher sein mag und in welcher Zeit es auch immer geschehen ist.
Wir als Mitglieder der gegenwärtigen politischen Repräsentanz der Stadt und im Bewusstsein aller der unentschuldbaren Verbrechen der Jahre 1939 – 1945 wollen uns der Tatsache, dass wir politische Nachfolger derjenigen sind, die den Anstoß oder die stille Zustimmung zur Vertreibung von Familien aus ihrem Zuhause gaben, nicht entziehen.
Am Tage des siebzigsten Jahrestages dieser Ereignisse wollen wir daran erinnern und die Opfer ehren. Damit wollen wir zum Prozess des Ausgleichs mit dem Unrecht beitragen, welches einen beachtlichen Teil der Brünner Bevölkerung getroffen hat.
Es liegt uns sehr an einer Versöhnung und gemeinsamer Zukunft. Wir wenden uns deshalb an alle ehemaligen und auch gegenwärtigen Brünner mit folgenden Botschaften:
Die erste Botschaft
richtet sich an diejenigen, die von der gewaltsamen Vertreibung betroffen wurden. Es ist die Botschaft der Versöhnung.
Die zweite Botschaft
richtet sich an uns, die heutigen Brünner, die in ihrer überwiegenden Mehrheit mit den Geschehnissen, zu denen es hier vor 70 Jahren gekommen ist, nichts Gemeinsames haben. Die Botschaft mahnt nicht Selbstbezichtigungen ein, sondern Verantwortung für das heutige und zukünftige Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Ethnien. Die Botschaft gibt Hoffnung, dass - sofern wir uns das Bewusstsein der erwähnten Taten erhalten und wir in der Lage sein werden, dazu eine offene Haltung einzunehmen - sich nichts Vergleichbares mehr wiederholen wird.
Dies ist eine Botschaft der gemeinsamen Zukunft
Die Stadt Brünn bedauert aufrichtig die Geschehnisse es 30. Mai 1945 und der folgenden Tage, in denen tausende Menschen aufgrund des Prinzips der Kollektivschuld und ihrer Muttersprache genötigt wurden, ihre Heimat zu verlassen. Wir sind uns sehr wohl bewusst, zu welchen menschlichen Tragödien, kulturellen und gesellschaftlichen Verlusten es damals gekommen ist. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, dass aufgrund der Kenntnis der historischen Geschehnisse und ihrer Folgen es nicht mehr möglich sein wird, dass sich in Brünn ähnliches wiederholt und dass die Geschehnisse des Jahre 1945 in unserem Gedächtnis als ein unheilvolles Memento haften bleiben.
Wir wünschen uns, dass alles vergangene Unrecht vergeben wird und dass wir uns – von der Vergangenheit unbelastet und in gegenseitiger Zusammenarbeit einer gemeinsamen Zukunft widmen
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http://www.zitbrno.cz/deklarace-smireni-a-spolecne-budoucnosti/
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