… Es braucht deshalb nicht viel Fantasie um vorherzusagen: Mit Milos Zeman wird sich nicht viel ändern auf der Prager Burg. Tschechien wird sich nicht befreien vom Mehltau der zehn langen Klaus-Jahre. Mit seinem aggressiven Politik-Stil und seinem Hang zu üblen Zoten wird Zeman auch international kräftig Porzellan zerschlagen. Seine angebliche Europafreundlichkeit ist nur ein Lippenbekenntnis. Tschechien wird auch in Zukunft den Exotenstatus innerhalb der Europäischen Union behalten und dort nur eine skurille Nebenrolle spielen. …
Von Stefan Heinlein, ARD-Hörfunkstudio Prag
Der Wahlsieger Milos Zeman ist ein Repräsentant der altböhmischen Amigo-Politik im Bier- und Becherovka-Dunst. Ein eitler Patriach im Stile seines Amtsvorgängers Vaclav Klaus. Schon Ende der 1990er- Jahre sorgte ein böser Kuhhandel für eine Blütezeit der Korruption. Der Linkspolitiker Zeman und der Neoliberale Klaus teilten sich die Macht im Lande und deckten die üblen Geschäfte der Mafia-Kapitalisten.
Dieses alte Machtkartell hat bis heute Bestand. Nicht umsonst ist Zeman der Wunschnachfolger von Vaclav Klaus. Ihr Doppelspiel zermürbte in der Endphase des Wahlkampfes den gemeinsamen Kontrahenten Karel Schwarzenberg. Als Verteidiger gegen angebliche sudetendeutsche Rückgabeansprüche schafften sie es erfolgreich, den Fürsten mit seiner Exilvergangenheit als "vaterlandslosen Gesellen" zu verunglimpfen.
Alles bleibt, wie es ist
Es braucht deshalb nicht viel Fantasie um vorherzusagen: Mit Milos Zeman wird sich nicht viel ändern auf der Prager Burg. Tschechien wird sich nicht befreien vom Mehltau der zehn langen Klaus-Jahre. Mit seinem aggressiven Politik-Stil und seinem Hang zu üblen Zoten wird Zeman auch international kräftig Porzellan zerschlagen. Seine angebliche Europafreundlichkeit ist nur ein Lippenbekenntnis. Tschechien wird auch in Zukunft den Exotenstatus innerhalb der Europäischen Union behalten und dort nur eine skurille Nebenrolle spielen.
Es bleibt zu hoffen, dass der Schwung dieser ersten Direktwahl eines Präsidenten nicht rasch wieder versickert. Der Urnengang wirkte wie eine Blutauffrischung für die politikmüden Tschechen. Eine liberale großstädtische Jugend will längst ein Ende der tschechischen Provinzpolitk. Der 75-jährige Fürst Schwarzenberg war ihr Hoffnungsträger, um die alten Machtcliquen endgültig auf das Altenteil zu schieben. Sie wollten ein weltoffenes Staatsoberhaupt das ihr Land mit Würde repräsentiert.
Sehnsucht nach einem weltoffenen Staatsoberhaupt
Dieser aufgeklärte Teil der tschechischen Gesellschaft ist längst immun gegenüber der ewiggestrigen Agitation eines Milos Zeman. Im Gegenteil. Viele junge Tschechen stellen ihren Vätern und Großvätern längst unbequeme Fragen über ihre Rolle bei der Vertreibung der drei Millionen Deutschen. Auch wollen sie über 20 Jahre nach der Revolution endlich eine kritische Aufarbeitung der sozialistischen Jahrzehnte und einen wirksamen Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption.
Diese notwendigen Diskussionen werden nun auch in den kommenden fünf Jahren zumindest auf der großen politischen Bühne weiter unter den Teppich gekehrt. Der neue Präsident ist ein gnadenloser Populist - ein politischer Polterer und kein intellektueller Kopf. Stillstand oder Fortschritt – eine Mehrheit der Tschechen hat Milos Zeman gewählt. Keine gute Nachricht aus unserem Nachbarland.
http://www.tagesschau.de/kommentar/zeman110.html
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