Von Stoldt, Hans-Ulrich
Mehr als sechs Jahrzehnte nach Kriegsende wühlt ein lange verdrängtes Massaker an etwa 2000 Sudetendeutschen im Juni 1945 das tschechische Städtchen Postoloprty auf.
… Zuerst wurden die Kinder ausgepeitscht und dann erschossen. Vor den Augen der Menge, die mit Waffen in Schach gehalten wurde. Die Tschechen benutzten keine Maschinenpistolen, sondern Gewehre, und so dauerte es eine Weile, bis der Letzte tot war. "Einer war angeschossen, der ist auf die Schützen zugelaufen und hat gebettelt: ,Ich will zu meiner Mutter'", erinnert sich Heinrich Giebitz, 80, der ebenfalls Zeuge war, "und dann haben sie wieder geschossen." …
… "Das wurde so gemacht, dass man heute 250 Leute nahm und am nächsten Tag wieder 250 Leute und es jeweils mit einer Schicht zudeckte", sagte ein Polizist 1947 vor einer parlamentarischen Untersuchungskommission aus, "die Hinrichtung fand nicht in einer Nacht statt, sondern schrittweise." Und oft mussten die Todgeweihten ihr Grab mit Hacke und Schaufel selbst ausgraben.
Skrupel überfiel die Täter nicht - sie fühlten sich von hoher militärischer Stelle gedeckt: Der Kommandeur der 1. tschechoslowakischen Division, General Spaniel, habe ihnen in Prag befohlen, die Region von Deutschen zu "säubern", erklärte der Leiter des Abwehr-Nachrichtendienstes Jan Cupka. "Der General sagte uns: Je weniger von ihnen übrig bleiben, umso weniger Feinde werden wir haben."
Es blieben genug, um das Massaker zu bezeugen. Nach Deutschland vertriebene Überlebende berichteten davon, und auch in Postelberg und Saaz selbst wollten Erzählungen und Gerüchte über das grausame Geschehen nicht verstummen.
Im Juli 1947 sah sich das Parlament in Prag veranlasst, eine Untersuchungskommission zu schicken. Etliche Soldaten und Anwohner wurden vernommen, darunter auch Hauptmann Vojtech Cerný, der ohne zu zögern die Verantwortung für die Tötung der fünf Jungen auf dem Kasernenhof übernahm: "Zu dieser Erschießung gab ich den Befehl." …
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-66696029.html
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