Utl.: Dr. Wolfgang Schüssels Abschied von der Politik
Mit der Abgabe der politischen Funktionen von Dr. Wolfgang Schüssel erinnern sich auch die Sudetendeutschen in Österreich der zahlreichen Bemühungen um die Abschaffung der Beneš- Dekrete in den 90er-Jahren, als Dr. Schüssel noch Außenminister war. Es sah auch so aus, als ob hier Hoffnung bestünde, als das USA-Repräsentantenhaus im Oktober 1998 die Tschechische Republik namentlich aufforderte, belastende Bestimmungen aus der Vergangenheit aufzuheben, die gegen die Grundrechte verstoßen und Wiedergutmachung zu leisten. Diese Forderung wurde im März 1999 vom Europa-Parlament und im Mai 1999 vom österreichischen Parlament wiederholt, doch ignorierte das angesprochene Nachbarland derartige Ansinnen. Eigentlich war auch die BRD mit der „Freundschaftserklärung 1997“ den Bemühungen um Wiederherstellung des Rechts in den Rücken gefallen.
Beim Besuch einer Südmährer-Delegation im April 1999 am Ballhausplatz erklärte Dr. Schüssel, dass er bei allem Verständnis für unsere Forderung „keine Verbündeten in Brüssel findet“. Als ich 6 Wochen später anlässlich eines gemeinsamen Marsches von Kleinschweinbarth zum Kreuzberg mit Dr. Otto Habsburg darüber sprach, meinte dieser, dass es eben auch auf die diplomatischen Fähigkeiten und die Persönlichkeit eines Außenministers ankommt und nicht nur darauf, Mehrheitsmeinungen nachzuvollziehen.
Die Sudetendeutschen hofften dennoch unverdrossen, weil es einfach undenkbar schien, dass ein Land mit einem derartigen Unrechtstatbestand in der Verfassung, im völligen Widerspruch zur Grundrechtscharta, in die EU aufgenommen wird. Dr. Schüssel erhielt auch zu Pfingsten 2001 am Sudetendeutschen Tag in Augsburg den „Europäischen Karlspreis“, weil man Hoffnungen in sein Verständnis des Problems setzte. Bis zum Erweiterungszeitpunkt 2004 hörte man wenig von Aktivitäten im Sinne des bestehenden Unrechts. Trotzdem hoffte man, dass unser Mutterland wenigstens die VETO-KARTE zücken würde, wie das wesentlich kleinere Länder (Zypern, Slowenien) auch gemacht haben. Stattdessen erklärte man uns beruhigend, dass die Dekrete und das Straffreistellungsgesetz für Kapitalverbrechen im Falle eines Beitritts der Tschechischen Republik automatisch obsolet werden, weil mit dem Grundrechtskatalog nicht vereinbar. Und was ist jetzt?
Die Ratifizierung des Lissabonvertrags, einschließlich des Ausnahmeprotokolls für die Tschechische Republik wurde einfach durchgewunken, die Resolution der Landsmannschaft vom 9.April, welche auf den Schaden für die Grundrechte in der EU hinwies, nicht beachtet.
Die EU verrät leichtfertig ihre eigenen Grundsätze, in dem sie für die Zustimmung zum Lissabon-Vertrag durch die CZ mit einem Protokoll Nr. 30 die Ausnahme vom Grundrechtskatalog erklärt, wonach Kapitalverbrechen de facto für rechtmäßig erklärt werden. Namhafte Juristen sind völlig perplex über die nachhaltige Beschädigung des Rechts. Insgesamt stellt dieser Akt auch der Sachkenntnis der handelnden Personen, sei es im österreichischen Außenministerium oder in der EU- Bürokratie in Brüssel ein verheerendes Zeugnis aus. Mitverantwortlich ist auch eine historische Unwissenheit, in der die Fama über die Sudetendeutschen als Täter Hitlers, ganz unwissenschaftlich jeglichen Opferstatus verbietet. Infolge dieses schweren Mangels ist es auch kein Wunder, dass sich sogenannte „Informationssendungen“ (ORF-Nachrichten, runde Tische und dgl.) nur um gehässigen, oberflächlichen Tratsch drehen und nur der Verblödung der Zuhörer dienen. Ein Teil dieser Enttäuschung hat für die Sudetendeutschen auch mit der Ära Schüssel zu tun, obwohl offensichtlich das Niveau und Rechtsbewusstsein seither noch viel schlechter geworden ist.
Reiner Elsinger ist Bundesobmann-Stellvertreter der SLÖ
und Bundesreferent für Heimatpolitik
Sudetendeutscher Pressedienst (SdP) Wien, am 8. September 2011/GE
Read more...