… Es war eine schlimme Zeit mit Ursachen und Folgen. Dennoch, für ein eigenes Schuldbekenntnis ist es nie zu spät. Die deutsche Seite reicht ständig die Hand, doch zur wahren Freundschaft braucht es ein aufrichtiges Händereichen von beiden Seiten. …
Absender: Jan Šinágl, bratří Nejedlých 335, 267 53 Žebrák
Empfänger:
Kanzlei des Präsidenten der Republik
Prager Burg
119 08 Praha 1
Václav Klaus
Präsident der Republik
Betr.: Beschwerde wegen gesetzeswidriger Handlung eines Sicherheitsbeamten der Prager Burg
Žebrák am 12.Oktober 2012
Sehr geehrter Herr Präsident,
nach Anfrage bei der Presseabteilung der Prager Burg wegen der Pressekonferenz mit Ihnen und dem Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Joachim Gauck, am 10. Oktober 2012, traf ich pünktlich um 11:00 Uhr zusammen mit den anderen Journalisten ein, um an der Pressekonferenz teilzunehmen. Ich wurde ohne Probleme akkreditiert und konnte in aller Ruhe auf den Beginn der Pressekonferenz um 11:30 Uhr warten und die Gespräche mit den deutschen Journalisten führen.
Nach dem Einlass begab ich mich zusammen mit den anderen Journalisten zur Pressekonferenz. Plötzlich versperrte mir ein Sicherheitsbeamter in Zivil den Weg und verlangte meinen Journalisten-Ausweis. Ich wurde als Einziger angehalten. Ich wunderte mich, weil ich so etwas nach der regulären Akkreditierung noch nie erlebt hatte. Mein Presse- und Fotografenausweis sind in Ordnung. Sie wurden bisher niemals beanstandet. Ohne mir einen trefflichen Grund zu nennen, wurde mir der Eintritt verwehrt. Stattdessen verwies mich der betreffende Mitarbeiter an die Presseabteilung der Burg, die ich selbst anrufen solle. Er stellte sich nicht einmal vor und wollte mir auch nicht sagen, was an meinem Ausweis zu beanstanden sei. Offenbar wollte man mich unter einem Vorwand nicht zu der Veranstaltung zulassen. Diesen Vorfall habe ich als völlig grundloses Mobbing und Einmischung in meine unabhängige Arbeit wahrgenommen. Ich kann daraus nur folgern, dass man gezielt eine Verspätung herbeiführen wollte, damit ich nicht nur den Anfang sondern die gesamte Pressekonferenz verpasste. Denn ein späterer Einlass wurde nicht mehr zugelassen. Erschwerend kam hinzu dass mich die zuständige Mitarbeiterin der Presseabteilung der Burg an einen weiteren Mitarbeiter verwies, der selbst an der Pressekonferenz teilnahm und somit kurzfristig gar nicht zu erreichen war.
Sie kam alleine zu mir und wollte mir nicht sagen, wo konkret das Problem liegt. Dazu muss ich noch erwähnen, dass sie sich mit dem Sicherheitsbeamten zur Beratung zurück zog, mir dann aber keinen trefflichen Grund für das Verwehren des Eintritts nannte, sondern sich lediglich mit dem Hinweis entschuldigte, dass die Pressekonferenz live ausgestrahlt würde. Leider gab es für mich vor Ort keinen Fernseher.
Diesen Vorfall empfinde ich als eine gravierende Einschränkung meiner journalistischen Tätigkeit, die an totalitäre Zeiten erinnert und eine Verletzung der verfassungsmäßig garantierten Pressefreiheit darstellt. Aufgrund dieses willkürlichen Vorgehens sehe ich mich gezwungen, diesen Artikel in deutscher Fassung auch an die ausländischen Medien weiterzuleiten.
Ich kann und will nicht glauben, dass ein Landespräsident, der sonst keinem Thema ausweicht und die offene Auseinandersetzung mit neuen Ideen und die demokratische Debatte befürwortet, meine Anwesenheit fürchtet oder gar als gefährlich einstuft.
Ich erwarte von Ihnen eine Erklärung, was Sie in der Zeit Ihrer Amtsperiode zur Verhinderung solch unwürdiger totalitärer Praktiken unternehmen werden.
Ansonsten nehme ich an, dass Sie bereits die Unterlagen, die ich am gleichen Tag in der Poststelle der Burg abgegeben habe, kennen – die Pressemitteilung der sudetendeutschen Verbände in Böhmen, Mähren und Schlesien vom Juni 2011 – „Wer wir sind? Warum gibt es uns? Was wollen wir?“ – sowie die Broschüre „Sudetendeutsche in aller Welt - Völkermord, Vertreibung aus ihrer Heimat“. Ich gehe davon aus, dass Sie neben der Zerstörung von Lidice und Ležáky auch die Gesamtstatistik, den materiellen Schaden und die Todesfälle der Sudetendeutschen, einschließlich der 3397 ausgelöschten sudetendeutschen Gemeinden ansprechen werden.
Wir wissen ja, dass in all diesen Städten in der überwiegenden Mehrheit anständige Menschen lebten, die sich nur deshalb „schuldig“ gemacht haben, weil sie Deutsch sprachen. Sie haben für die kriminelle Politik und Praxis des Präsidenten Edvard Beneš bezahlt und, wie neuerdings an die Oberfläche kommt, auch mit Unterstützung seiner Frau Hana Benešová. Es ist kein Geheimnis, dass die Kommunisten den Gedanken unterstützen, dass sich Edvard Beneš mit seinen Gesetzen für den Staat verdient gemacht hat - leider auch für seine Zerstörung. Schuld muss immer im Einzelfall festgestellt werden, kollektive Schuld erkennen nur totalitäre Regime oder vergleichbare kriminelle Regierungen an. Es ist ein Skandal, dass die verbrecherischen Beneš-Dekrete noch immer Bestandteil der Gesetzgebung eines demokratischen Landes der EU sind und von den Gerichten immer noch angewendet werden.
Bei der Pressekonferenz sprachen Sie von der Notwendigkeit des Rückblicks in die Vergangenheit. Er dürfe aber nicht so groß sein, dass er die Sicht nach Vorne überschatte. Ich fürchte, dass er bei uns immer noch so klein ist, so dass wir nicht richtig nach Vorne blicken können, weil wir nicht die ganze Wahrheit zugeben wollen, unsere Fehler, unsere Verbrechen und unser Schuld. Die Öffentlichkeit hätte es sicherlich begrüßt, wenn die bei der Pressekonferenz an Sie gerichtete Frage des Journalisten Zilke Engel von der Broadcasting Group ABB, eine ähnliche Geste gegenüber den sudetendeutschen Opfer der Vertreibung hervorgerufen hätte, wie sie der Bundespräsidenten Gauck gegenüber den unschuldigen Opfern von Lidice zeigte. Ihre Antwort war sehr enttäuschend. Deutschland entschuldigt sich seit dem Ende des zweiten Weltkriegs ständig. Wir sollten in der Lage sein, uns endlich ebenfalls für das an den Sudetendeutschen begangene Unrecht, die verschwundenen Städte, Dörfer, Siedlungen und Fabriken entschuldigen. Auch für die Sudetendeutschen gab es "Lidice", mit dem Unterschied, dass die Bewohner nicht Tschechisch sprachen, und davon gab es nicht wenige. Das passierte, als der Krieg vorbei war. Und es geschah eilig vor dem Potsdamer Abkommen, das doch eine humane Behandlung garantierte.
Es war eine schlimme Zeit mit Ursachen und Folgen. Dennoch, für ein eigenes Schuldbekenntnis ist es nie zu spät. Die deutsche Seite reicht ständig die Hand, doch zur wahren Freundschaft braucht es ein aufrichtiges Händereichen von beiden Seiten.
Sie werden sicherlich auch zu den geladenen Gästen der Premiere des Films 7 TAGE DER SüNDEN am 1. November 2012 gehören. Ich hoffe, Sie nehmen zusammen mit anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens daran teil und holen dabei die dringend notwendige Geste der Menschlichkeit und Freundschaft nach, die bisher nur eine Seite gezeigt hat...
Mit Rücksicht auf Ihre Funktion und Ihre nicht abnehmbaren Verantwortung
Jan Šinágl, v.r.
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