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Citát dne

Karel Havlíček Borovský
26. června r. 1850

KOMUNISMUS znamená v pravém a úplném smyslu bludné učení, že nikdo nemá míti žádné jmění, nýbrž, aby všechno bylo společné, a každý dostával jenom část zaslouženou a potřebnou k jeho výživě. Bez všelikých důkazů a výkladů vidí tedy hned na první pohled každý, že takové učení jest nanejvýš bláznovské, a že se mohlo jen vyrojiti z hlav několika pomatených lidí, kteří by vždy z člověka chtěli učiniti něco buď lepšího neb horšího, ale vždy něco jiného než je člověk.

 


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Jan Šinágl,
předseda SODALES SOLONIS o.s.

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Die Integration der „Heimatlosen“ nach dem Zweiten Weltkrieg ist gelungen. Aber sie hatte ihren Preis.

… In einer Untersuchung über 105 vertriebene Bauernfamilien in der niedersächsischen Grafschaft Bentheim finden sich folgende Beispiele aus dem Jahr 1951: Eine einheimische Wirtin regte sich darüber auf, dass die Vertriebenen am Sonntag Alkohol tranken, und zwar zur Feier der Konfirmation. Ein einheimischer Bauer zerbrach den Tannenbaum eines Flüchtlingsbauern, weil er bei sich keine „heidnischen Sitten“ dulden wollte. Eine Flüchtlingsfrau brachte zur Beerdigung einer Einheimischen einen Kranz. Sie hatte einen weiten Weg zurückgelegt, um ihn zu kaufen. Doch der Bauer warf ihn auf den Mist. Kränze waren hier zur Beerdigung nicht üblich. Das Problem für die Kirche waren die sogenannten Traditionschristen, also vor allem Bauern, deren Alltag mit den kirchlichen Riten so verwoben war, dass sie das eine ohne das andere kaum leben konnten. …

Der Schaffner wollte die Fahrkarten sehen, und die Frauen auf dem Bahnsteig in Bad Hersfeld konnten es nicht fassen. Sie hatten keine. Sie waren aus dem Breslauer Kessel über Leipzig bis nach Hessen geflohen. Es war Ende Februar 1945. Das Mietshaus, in dem sie gewohnt hatten, war zerstört – auf dem Grundstück war nur noch ein Krater. Sie hatten gesehen, wie Feldgendarmen der Wehrmacht einen vierzehn Jahre alten Jungen erschossen; überall suchten die „Kettenhunde“ unter den Fliehenden nach Fahnenflüchtigen. Sie hatten miterlebt, wie Familien in den Flüchtlingstrecks ihre Verstorbenen mitschleiften – gefroren. Sie waren Überlebende, die alles verloren hatten. Und am Ende ihrer Flucht trafen sie auf Landsleute, die Dienst nach Vorschrift machten.

Bis Kriegsende kamen Hunderttausende Flüchtlinge aus den östlichen Gebieten des ehemaligen Reiches nach Deutschland. Nach dem Krieg sollte ihre Zahl auf zwölf Millionen steigen. Vierzehn Millionen Menschen hatten sich auf den Weg gemacht, die meisten von ihnen zwangsweise. Was mit denen geschehen ist, die nie angekommen sind, darüber sind sich Historiker bis heute nicht einig. Die Zahlen der durch Flucht, Vertreibung und Transport umgekommenen Menschen liegen zwischen 600 000 und zwei Millionen. Für die Ankömmlinge gab es viele Namen. „Flüchtling“ oder „Heimatloser“ war, wer vor Kriegsende vor der Roten Armee fliehen konnte. In der sowjetisch besetzten Zone wurde mit Rücksicht auf die Besatzungsmacht von „Umsiedlern“ und „Neubürgern“ gesprochen. Im amerikanischen Sektor hielt man sich aus diplomatischen Gründen zunächst an den Begriff „Ausgewiesene“, da laut Potsdamer Abkommen die „Ausweisung“ oder „ordnungsgemäße Überführung deutscher Bevölkerungsteile“ unter humanitären Bedingungen erfolgen sollte. Erst später setzte sich der Begriff „expellees“ für die Vertriebenen durch. Denn die bestanden darauf, keine Flüchtlinge zu sein. Schließlich hatten sie ihre Heimat nicht freiwillig verlassen und wollten dorthin zurück.

Doch ein Zurück sollte es nicht geben. Dass sie bleiben mussten, war die bitterste Erkenntnis für die Vertriebenen. Im Potsdamer Abkommen stand, dass die Überführung nach Deutschland „durchgeführt werden muß“. Dieser Zwang war aber gleichzeitig der Motor für ihre Integration. Denn die Einheimischen mussten die Vertriebenen aufnehmen. Es gab keine Alternative.

Dafür sorgte der Alliierte Kontrollrat, zum Teil mit Gewalt. Bewaffnete Soldaten der Besatzungsmächte suchten nach verborgenem Wohnraum und quartierten die heimatlos gewordenen Menschen zur Not auch gegen den Willen der Eigentümer ein.

Eine Willkommenskultur gab es nicht einmal für die zuvor von den Nationalsozialisten umworbenen „Grenz- und Auslandsdeutschen“. Im Gegenteil. An den Bahnhöfen prangten Schilder, mit denen Flüchtlinge abgeschreckt werden sollten. „Wir können niemanden mehr aufnehmen“, stand auf einer Tafel am Bremer Hauptbahnhof: „Bremen hat Zuzugsperre.“ Als Untermalung diente die zerbombte Silhouette der Stadt. Die Zuzugsperre sollte verhindern, dass Vertriebene und Flüchtlinge sich auf eigene Faust in den Städten einquartierten. Die meisten Menschen mussten zunächst auf dem Land untergebracht werden. Dort konkurrierten die Vertriebenen mit den einheimischen Ausgebombten aus den Städten und mit anderen Wohnungslosen um den knappen Wohnraum.

Der nationalsozialistische Rausch am Deutschtum war verflogen. Nun sollten sich die Deutschen erst kennenlernen. Ostpreußische Lutheraner trafen auf reformierte Niedersachsen, böhmische Bauern lernten die Kargheit nordhessischer Felder kennen, sudetendeutsche Katholiken mussten sich mit beinharten württembergischen Pietisten arrangieren, das katholische Münsterland wurde evangelisiert, in Braunschweig zogen katholische Schlesier in eine protestantische Kirche ein. Niemand war darauf vorbereitet, und es dauerte Jahre, bis die zahlreichen kulturellen Missverständnisse aufgeklärt werden sollten. Viele Konflikte hatten einen konfessionellen Hintergrund. Sogar innerhalb derselben Konfession gärte es, besonders unter den so unterschiedlichen protestantischen Landeskirchen.

In einer Untersuchung über 105 vertriebene Bauernfamilien in der niedersächsischen Grafschaft Bentheim finden sich folgende Beispiele aus dem Jahr 1951: Eine einheimische Wirtin regte sich darüber auf, dass die Vertriebenen am Sonntag Alkohol tranken, und zwar zur Feier der Konfirmation. Ein einheimischer Bauer zerbrach den Tannenbaum eines Flüchtlingsbauern, weil er bei sich keine „heidnischen Sitten“ dulden wollte. Eine Flüchtlingsfrau brachte zur Beerdigung einer Einheimischen einen Kranz. Sie hatte einen weiten Weg zurückgelegt, um ihn zu kaufen. Doch der Bauer warf ihn auf den Mist. Kränze waren hier zur Beerdigung nicht üblich. Das Problem für die Kirche waren die sogenannten Traditionschristen, also vor allem Bauern, deren Alltag mit den kirchlichen Riten so verwoben war, dass sie das eine ohne das andere kaum leben konnten.

Besonders die evangelische Kirche (EKD) war besorgt über die Eingliederung der Ostkirchen. „Kirche ohne Land“ lautete das Motto. Der EKD gelang es schließlich, die Vertriebenen in die Landeskirchen zu integrieren. Der Versuch der Ostkirchen, eigenständige Landeskirchen zu bilden, scheiterte. Noch schwieriger war das Verhältnis zwischen Einheimischen und den meist städtischen und gebildeten Protestanten, die ins ländliche katholische Bayern kamen. 1947 hielt einer der Mitbegründer der Bayernpartei eine Hassrede, in der er vor den Preußen „mit ihren geschminkten Weibsen mit lackierten Fingernägeln“ warnte. Die Feindschaft, die den Vertriebenen in Bayern entgegenschlug, hatte zur Folge, dass die Zahl der unehelichen Geburten stark anstieg. Eine Heirat zwischen Katholiken und Protestanten hieß „Mischehe“ und war verpönt.

Es gab auch offenen Rassismus von Deutschen gegen Deutsche. Den größten Anteil von Vertriebenen an der Bevölkerung trug Schleswig-Holstein. Dort hielten sich viele Politiker für besonders „reinrassig“. Ein Flensburger Landrat sprach von der „Mulattenzucht, die der Ostpreuße nun einmal im Völkergemisch getrieben hat“. Die Flüchtlinge waren nun „Untermenschen“ aus dem Osten und Nazis zugleich. Alle schlechten Eigenschaften wurden ihnen zugeschrieben. Man wollte „dat Schiet“ am liebsten in die Nordsee werfen. Auch in anderen Bundesländern wurden Ängste vor „Überfremdung“ geschürt. Im Kölner Karneval gab es Spottlieder auf die „polnischen Kaczmareks“. Noch Anfang der sechziger Jahre bat ein Landesminister die Karnevalsgesellschaften, das Unglück der Vertriebenen nicht zum Thema von Büttenreden zu machen.

Doch wirtschaftlich konnten sie bald Fuß fassen. Zum einen durch das Lastenausgleichsgesetz von 1952, das finanzielle Entschädigungen für Vertriebene und Spätheimkehrer durch Vermögensabgaben vorsah, aber vor allem durch das beginnende Wirtschaftswunder mit seinem beispiellosen Konjunkturaufschwung. In fast allen Städten wurden genossenschaftliche Wohnsiedlungen gebaut, in denen Vertriebene unterkamen. Durch die flächendeckende Zwangsverteilung auf die Bundesländer kam es nicht zur Bildung von Gettos. Auf dem Land waren die einheimischen Bauern sogar bald enttäuscht, weil sie auf die Arbeitskraft der Vertriebenen gehofft hatten, die stattdessen in die Industrie abwanderten. Und auch dort herrschte Arbeitskräftemangel. Schon 1954 führte Bundeskanzler Adenauer in Rom erste Verhandlungen über den Zuzug von Gastarbeitern.

In der Politik wurden die Vertriebenen nun in einer eigenen Partei sichtbar. Bis zur ersten Bundestagswahl war das vom Alliierten Kontrollrat nicht erwünscht. Es sollte keine Partei entstehen, die politisch nicht tragbare Gebietsansprüche geltend machen könnte. Nachdem der Zwang zur Lizenz entfallen war, gründete sich 1950 der „Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“, BHE. Während ehemalige NS-Funktionäre und Kriegsverbrecher mehr oder weniger heimlich auch in den anderen Parteien unterkamen, waren sie hier sogar im Namen vertreten. Mit „Entrechtete“ waren nämlich die Entnazifizierten gemeint, die Arbeit und Ansehen verloren hatten. Die BHE war bald in allen Landesparlamenten und sogar in der Bundesregierung vertreten. Sie hatte sogar einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher wie dem SA-Mitglied Theodor Oberländer zu einer Ministerkarriere verholfen. Doch schon 1961 löste sie sich nach ausgebliebenen Wahlerfolgen auf. Die Vertriebenen hatten sich im übrigen Parteienspektrum der BRD wiedergefunden. Sie brauchten keine Paria-Partei mehr. Es waren die Vertriebenen-Verbände, die nun immer mehr ins politische Abseits gerieten. Mit ihrem Widerstand gegen die Ost-Verträge etablierten sie ihren reaktionären Ruf. Sie blickten immer noch auf das, was sie verloren hatten. Je weniger ihre Geschichte politisch opportun war, desto folkloristischer muteten ihre Treffen an.

In einem sind sich die Historiker heute einig: Die Vertriebenen sind integriert worden. In der Ostdenkschrift der EKD wurde 1965 darauf hingewiesen, dass das Wohnungsproblem weitgehend gelöst sei. Zwar erhielten zu diesem Zeitpunkt 5,8 Prozent der Vertriebenen Sozialhilfe und nur 1,4 Prozent der Einheimischen. Doch die Denkschrift zeigt auf, dass die überwiegende Mehrheit der Vertriebenen den Lebensstandard der Einheimischen fast erreicht hatte. Auch kulturell konnten sie Akzente setzen. In fast jeder Stadt erinnern Straßennamen an die Orte der alten Heimat. Vor allem die evangelischen Landeskirchen haben durch die oft strenggläubigeren neuen Mitglieder einen „Frömmigkeitsschub“ erfahren. Mit der Pflege ihrer Folklore haben die Vertriebenen auch das historische Gedächtnis wachgehalten. Eine andere Frage ist, ob sie in der neuen Heimat auch mental angekommen sind.

Folgt man der Perspektive vieler Vertriebener, hatte die Integration einen äußerst bitteren Beigeschmack. Es war eine Anpassung an die vorgefundenen Verhältnisse. Der Preis dafür war ihre kulturelle Selbstaufgabe, der Untergang ihrer Bräuche, ihrer Religiosität, ihrer Geschichte, ihrer Trauer und ihres Leids. In anderen Worten: Sie hatten keine Option auf „Multikulti“, also auf den Rückzug in homogene Enklaven mit den alten Riten der östlichen Landeskirchen. Es gab kein Little-Breslau, kein Klein-Königsberg, in das sie sich hätten zurückziehen können. Die meisten von ihnen schwiegen, um ihre Integration nicht aufs Spiel zu setzen. Sie verschwanden geräuschlos. Man könnte auch sagen: Sie sind Teil der Gesellschaft geworden, in der sie leben.

 

von Antje Schmelcher, FAZ  05. JUNI 2016

http://www.faz.net/aktuell/politik/vertriebene-nach-1945-ohne-willkommenskultur-14277408.html

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