Die ganze Tonaufnahme von der Pressekonferenz am 3.4.2012 in Prag.
Jede deutsch-tschechische Begegnung auf höchster Ebene wird von der Hoffnung vieler deutscher und tschechischer Bürger begleitet, dass die Sudetendeutsche Frage mit auf der Tagesordnung steht und endlich offene Gespräche stattfinden. Leider auch diesmal kein Wort zu diesem Thema, nicht einmal andeutungsweise. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ – ein für zielstrebige Politiker oftmals vorteilhaftes Motto. Aber machen wir uns nichts vor, die Realität ist weitaus grausamer: „Reden ist Silber, Verschweigen ist Gold“. Für betroffene Beobachter eine zutiefst verletzende Gangart europäischer Politik. Wie soll man den Volksvertretern glauben und vertrauen, wenn sie betont von „guten“ Beziehungen sprechen, ohne dass jemals eine Grundsanierung stattgefunden hat, geschweige denn in Aussicht gestellt wird. Natürlich haben die Themen, die der europäischen Stabilität dienen, oberste Priorität. Aber dazu gehört gerade im deutsch-tschechischen Verhältnis, die aus der Vergangenheit herrührenden Metastasen endlich zu beseitigen, bevor sie an irgendeiner bedeutenden Schaltstelle wieder aufkeimen. Die zweifelhafte Lissabon-Einigung hat gezeigt, wie schnell neue Unruhe und Unzufriedenheit entstehen kann. Die durch die Vertragsunterzeichung erneut hervorgerufenen Menschenrechtsverletzungen sind längst nicht verdaut, viel schlimmer noch, die Vertragsunterzeichner, die sich doch gerade für den Frieden in Europa einsetzen wollten, haben sie billigend in Kauf genommen. Wir wissen, wo der Schuh drückt! Gewiss ist es kein ehrlicher und vertrauenserweckender Weg, diese Druckstellen zukünftig konsequent auszublenden und den Historikern zu überlassen. Es ist Aufgabe der Politiker zumindest symbolische Gesten zu zeigen und einzufordern! Diese Chance wurde bei diesem Staatstreffen nicht einmal ansatzweise wahrgenommen.
Wen wundert es, dass DIE WELT den Staatsbesuch von Angela Merkel mit einem großen Bericht über deren Restauranterfahrungen als Studentin in Prag anzukündigte. Bislang sind es eben Banalitäten, die das deutsch-tschechische Verhältnis kennzeichnen. Schweigen ist manchmal weniger als Blech!
Wie immer meldete ich mich gleich zu Beginn der PK, um gezielte Fragen stellen zu können – vergeblich. Offenbar fürchtete auch der neue Pressesprecher der Regierung unbequeme Rückblicke und war an entprechende Instruktionen gebunden…? Die ganze PK war relativ belanglos. Diesen Eindruck teilten auch anwesende deutsche Journalisten mit mir, die nicht Vertreter der politisch korrekten „großen“ Medien waren und ebenfalls wegen der Schmalspurigkeit dieser Veranstaltung im Hinlick auf das historisch belastete Verhältnis enttäuscht waren. Sie beantworteten spontan meine Fragen, die ich an die beiden Premiers gerichtet hätte:
„Ist die Sudetendeutsche Frage auch Gespächsthema? Stört Sie nicht, dass die verbrecherischen Benesch Dekrete immer noch Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung sind und deren Fortbestand die Bedingung und das Erpressungsmittel gegenüber der EU war, um die Unterschrift von Präsident Vaclav unter den Lissabon-Vertrag zu erreichen. Glauben Sie beide tatsächlich, dass sich auf dieser Basis eine freundschaftliche, ehrliche und glaubwürdige wirtschafliche Nachbarschaftspolitik führen und realisieren lässt?“
Die deutschen Journalisten meinten, die Kanzlerin hätte vermutlich ausweichend geantwortet, etwa so: „Das ist nicht Gegenstand unseres Gespräches, davon weiß ich zu wenig, da müssen sie sich an den bayerischen Ministerpräsidenten wenden“.
Sprecher Bernd Posselt zum Merkel-Besuch in Prag am 3.4.2012:
Ich hatte nicht Gelegenheit, der Kanzlerin zum diesem Thema persönlich Dokumente zu überreichen, wie z.B. Herrn Seehoffer bei seinem letzten Besuch in Prag. Im Gegensatz zum bayerischen Ministerpräsidenten verließ sie die PK zügig nach Beendigung. Wenigstens konnte ich mich mit jüngeren deutschen Journalisten austauschen und ihnen Dokumente zum Vertreibungsthema aushändigen, die sich anders als ihre älteren „offiziellen“ Kollegen, sehr interessiert zeigten. Diese Begegnungen waren erfreulich und ich bewerte meinen Besuch deshalb unterm Strich als positiv.
Allen ein gesegnetes Osterfest.
Jan Šinágl, 5.4.2012
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