„Menschen lebendig verbrennen? Vor nicht so langer Zeit wurden ähnliche Gräueltaten auch von Tschechen heftig verübt. Täter und Opfer könnten noch unter uns sein“, schreibt der Historiker und Publizist Petr Zídek in seiner Kolumne, die auf dem Server der Lidovky.cz veröffentlicht wurde.
Nein, ich habe kein „Propaganda-Video“ der Kriminellen, die sich Islamischer Staat nennen, gesehen. Bilder vom Verbrennen und Aufschlitzen von Gefangenen sind nun wirklich keine Bilder, die ich in meinem Gedächtnis abspeichern möchte. Ich muss jedoch der Auswertung entgegenhalten, dass die Verwendung dieser Bilder von Gewalt durch Muslime, diese als unmenschliche Barbaren stigmatisiert. Es ist nicht so lange her, dass wie im Mittelalter oder bei den Hexenprozessen auch von Tschechen ähnliche Gräueltaten massenhaft verübt wurden. Die Täter oder Zeugen ähnlicher Gräuel können noch unter uns sein.
Der Humanist, Prediger und Sozialarbeiter Přemysl Pitter hat seine Erinnerungen an die blutige endgültige Vernichtung der Deutschen in Prag im Mai 1945 in einem privaten Brief festgehalten. „Ich wurde in den ersten Tagen der Befreiung Augenzeuge von der Verbrennung eines Deutschen und einer Deutschen. Der erste war ein deutscher Soldat, nach seiner Uniform war er Mitglied des Volkssturms, also nicht der SS. In die Nähe des Pulverturms wurde auf ihn ein Jagd organisiert, dann wurde er geschlagen, noch lebendig an den Füßen an einem Mast auf dem Platz der Republik aufgehängt und unter seinem Kopf ein kleines Feuer aufgestellt, dass er langsam gebacken wurde. Der zerfetzte Körper wurde von den Menschen bespuckt. Ich konnte in keiner Weise eingreifen, weil ich selbst geschlagen würde. In einem anderen Fall sah ich, wie zehn bis zwölf Jahre alte Jungen, die am Denkmal des Hl. Wenzels die Barrikaden räumten, blutig geschlagen wurden. Während den Jungen in den nackten Oberkörper geschlagen und geschnitten wurde, mussten sie Pflastersteine wegbringen. (…) Am Prager Ort Flora wurde eine Deutsche zwei Stunden lang von Menschenmassen missbraucht, ehe man sie an den Beinen durch die Straßen zog, mit ihrem Kopf auf dem Bürgersteig. Beim Prager Olšany-Teich wurde sie mit Benzin übergossen und angezündet.
Ich sah die Menschen aus Žižkov, die riefen „Wir gehen die Deutschen backen“, zum Wenzelsplatz ziehen. Es bedeutete, die Deutschen zu verbrennen. Augenzeugen zufolge hing eine ganze Reihe mit dem Kopf nach unten. Es waren bekannte Leute, die mich dorthin schickten, damit ich beeilte, um das zu sehen, solange sie noch gebacken wurden.“
(Aus dem Buch von Pavel Kosatík: Das Leben des Přemysl Pittra, 1895–1976).
Es waren also keineswegs irgendwelche barbarischen Moslems aus den Wüsten, sondern Angehörige des Nation von Hus, Comenius und Masaryk, die vor siebzig Jahren diese Gräueltaten verübten, die schlimmer waren, als die, die heute fanatische Kriminelle im Nahen Osten praktizieren. Und dass ähnliche Gräueltaten der Deutschen vorausgingen ist ein wesentliches Faktum, um den Kontext zu verstehen, aber nicht um das Töten des mörderischen tschechischen Pöbels zu rechtfertigen. Hätte es damals bereits Mobiltelefone mit Kameras gegeben, hätten es gewiss viele Selfies von lachenden Tschechen über gefolterte deutsche Körper gegeben. So müssen wir uns nun mit Erinnerungen und ein paar unscharfen Bildern von Filmamateuren zufrieden stellen.
Ich hoffe, dass auch darüber in der kommenden Feier des 70. Jahrestages der Befreiung gesprochen wird.
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Jan Šinágl, 22.2.2015
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