Unsere tschechischen Mitbürger erholen sich erst allmählich von den berauschenden Feierlichkeiten. Vor dreißig Jahren haben Tschechen furchtlos, ja „heldenhaft“, so wird es täglich medial vorgetrommelt, den Kommunismus gestürzt. Kein Wort von den vorangehenden Ereignissen in Ungarn, Polen und Mitteldeutschland. Gorbatschow und sein Verzicht auf Gewalt werden gezielt ausgeblendet. Die tschechische Gesellschaft gleicht einer eingeigelten Kugel, die sich fast ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Als Antidepressivum (um der eigenen Verantwortung zu entkommen) nutzt man die eigene Kultur - so der polnische Journalist und Schriftsteller Mariusz Sczygiel über die Tschechen in seinen Werken. Vergessen sind die letzten freien Wahlen 1946, als die Kommunisten in Böhmen und Mähren zur stärksten politischen Kraft wurden.
Schließlich wählte man den Rausschmiß der Sudetendeutschen, um sie zu entrechten und zu bestehlen. Als Klement Gottwald und seine Kommunisten im Feber 1948 ganz legal an die Macht kamen, schrie die Menge am Altstädter Ring in Prag fanatisch — „mit der Sowjetunion auf alle Zeiten“. Freilich: 1968 kam die Ernüchterung, doch man arrangierte sich. Waren im Protektorat 1,8 Millionen Tschechen in nationalsozialistischen Organisationen, so fügte man sich nach 1968 „pragmatisch“ vor den nun Herrschenden. Dreißig Jahre nach 1989 ist aus dieser Not eine Tugend geworden. Ein selektiver Gedächtnisausfall ist das, unbestreitbar.
1989/1990 wollte Präsident Havel den Sudetendeutschen en bloc die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit zurückgeben. D.Genscher und A. Albright haben es verhindert. Damals merkte Havel - auch die Freiheit hat ihre Grenzen! Den Tschechen um Klaus, Zeman, Zahradil und vielen anderen war es nur recht. Als 2004 Günther Verheugen die Tschechen samt der erloschenen, aber immer noch gültigen Beneš-Dekrete in die EU schleuste, war man in Prag am Ziel. Eine dreiviertel Billion Kronen hat seither die Tschechische Republik aus Brüssel netto dazu bekommen. Veritas vincit.
Dr. Karl Borde, aus Aussig/Elbe stammend
Lesermeinung
Sudetendeutscher Pressedienst (SdP)
26.11.2019
Read more...